Valentin tut sein Bestes!

Sunday Assembly Berlin

A Global Movement for Wonder and Good

Rede von Valentin Abgottspon am 10. Oktober 2015

Grüezi*!

 

Ich wurde angefragt, ob ich hier zu euch sprechen könnte und euch das Beste geben kann. Da fragte ich mich erstmal: Das Beste? Mein Bestes? Wahrscheinlich MEIN Bestes, ja. Braucht ihr mein Bestes? Wollt ihr das überhaupt? Euer Bestes kann ich euch ja nicht geben, etwas anderes als MEIN Bestes habe ich halt leider nicht zu bieten.


Und was ist das Beste, das ich zu bieten habe? Gute Ratschläge, beste Ratschläge gar? Ihr wisst ja: Guter Rat ist teuer. Aber auch schlechter – sozusagen: billiger – Rat kommt einem oft genug teuer zu stehen.

Vielleicht war das Beste, was mir je zugestossen ist, dass ich in der Schweiz geboren bin. Wirtschaftlich geht es uns Schweizerinnen und Schweizern insgesamt sehr gut. Wir leben im globalen Vergleich in nahezu paradiesischem Frieden und gehobenen Verhältnissen. Das Leben hat es also – zumindest bei den Startbedingungen – gut mit mir gemeint.

 

Oft denke ich: Das Beste, was wir geben können; das Beste, was wir anderen geben können, ist: Zeit schenken, zuhören, zu verstehen versuchen, zu helfen, wo wir können.

 

Ich diskutiere und debattiere oft. Ich denke, es ist ein Geschenk und das Beste, wenn wir andere Menschen aus ihrem dogmatischen Schlaf aufrütteln oder aufzurütteln versuchen. Ich denke, es ist ein Zeichen von Respekt, dass wir anderen zutrauen, dass sie uns zuhören, dass sie andere Botschaften vernehmen können. Ich versuche, diesbezüglich mein Bestes zu geben. Das beste Argument und die beste Idee. Ich scheitere aber oft. Es kommt oft genug nicht als nett oder gut, schon gar nicht als «Bestes» an, wenn ich meine Ideen zum Besten gebe. Manchmal braucht es eine Portion Mut, anderen etwas zuzumuten. Man meint es gut und es wird als Zumutung, als Frechheit empfunden oder wahr genommen.

Sowieso: Es gibt Leute, die hören einem nicht richtig zu. Sie hören in Gesprächen nur hin. Sie warten damit nur den Zeitpunkt ab, an welchem sie wieder weiterreden können. Ich versuche, kein solcher Mensch zu sein. Ich bin ehrlich daran interessiert, korrigiert zu werden, Neues zu lernen und zu erlernen. Wenn ich drauf komme oder darauf gebracht werde, dass ich in einem Bereich falsch gedacht oder priorisiert habe: Dann ist das für mich ein Gewinn. Dann versuche ich, mich darüber zu freuen, dass ich etwas lernen konnte. Dann gilt es, einen neuen Stein in mein Weltbild einzubauen.

Und was ist mit Leuten, denen wir in diesem Sinne unser Bestes geben und welche das gar nicht haben wollen? Was ist mit unvernünftigen Menschen, welche auf Anstösse, auf Anstössiges, auf Gedankenanstössiges allergisch und abweisend reagieren? Die unser Bestes gar nicht haben wollen und damit nichts anfangen können oder wollen? Auch ihnen sollten wir möglichst anständig und vernünftig gegenübertreten. Das sind wir übrigens nicht unbedingt den unanständigen und unvernünftigen Menschen schuldig, sondern dem Anstand und der Vernunft. Es ist das Beste, was wir tun können: Dass wir es dann trotzdem versuchen und … Weitermachen! Anderen zutrauen, dass sie doch irgendwann zuhören und sich vielleicht etwas ändert.

 

Das Beste – für uns, für die Gesellschaft, für mein Gegenüber, für meine Partner, für alle, also auch für mich selbst – … Das Beste ist übrigens, dass wir von uns selber nicht immer nur und ausschliesslich das Beste erwarten und abfordern. Das Bessere sei der Feind des Guten. Wird gesagt. Hört man. Ich bin dafür, dass wir von uns und anderen nicht immer das Beste erwarten. Wir müssen nicht einmal immer nur Gutes erwarten. Das hilft, Ent-Täuschungen vorzubeugen.

 

 

Mir ist es nicht egal, was aus der Welt wird. Uns, mutmasslich fast allen in diesem Saal, ist es nicht egal, was aus der Welt wird. Was nach uns ist. Uns ist nicht egal, wie sich Menschen verhalten, welche Rechte und Freiheiten Frauen «geniessen». Den meisten von uns ist es nicht egal, wie wir mit Ressourcen, unserer Umwelt und den nicht-menschlichen, empfindungs- und leidensfähigen Tieren umgehen. Den meisten von uns ist es nicht egal, in welchem Zustand wir diese kostbare Welt zurücklassen. Auch deshalb: Bin ich gerne Freidenker, Humanist, Atheist, Agnostiker, Rationalist, Altruist und Skeptiker.

 

Vielleicht ist aber das Beste, was mir passiert ist – was ich erreicht habe – aber auch schlicht, dass ich in meinem Leben mal aufgestanden bin, stehen blieb, mir den Mund nicht verbieten liess und so etwas wie Rückgrat zeigte. Ich habe da mal einer staatlichen Stelle und vielen Politikern sowie Medienschaffenden die Stirn geboten und wurde dafür fristlos entlassen. Ich war in diesem Moment nicht ruhig, bequem und «staatstragend». Rückblickend halte ich mein Verhalten aber für fast schon «staatsmännisch». Wäre ich damals nicht stehen geblieben: Ich hätte vieles verpasst und nicht erleben dürfen. Ich wäre heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht hier bei euch. Ich hätte die Frau, die ich jetzt innig liebe, wohl nie kennen gelernt.

 

Das Beste, das mir in diesem Zusammenhang passiert ist: Dass ich so viele spannende, intelligente, empathische, nette, altruistische, witzige, motivierte, aktive und aktivistische Menschen kennen lernen durfte. Mir hat vor etwa fünf Jahren ein Journalist gesagt: «Dass du offen dazu stehst, gottlos gut und gottlos glücklich zu sein… Damit machst du dir hier aber keine Freunde!» Politisch und juristisch hat das insgesamt seine Richtigkeit gehabt. Privat aber war das Gegenteil der Fall. Ich habe sehr viele Freundinnen und Freunde gewonnen oder gemacht. Es gab auch viele dunkle Zeiten und üble Facetten dieser Affäre. Das will ich nicht verschweigen. Es war hart.

 

Eventuell war aber trotzdem das Beste, was mir und meinem Lebenslauf passieren konnte: «Er wurde an einer staatlichen Schule rechtswidrig fristlos entlassen, weil er sich gegen ein Kruzifix wehrte und sich für die Menschenrechte und staatliche Neutralität in religiös-weltanschaulichen Dingen an der Schule einsetzte.»

 

Vielleicht war dies das Beste. Mein Bestes. Jedenfalls: War es gut so.

*«Grüezi»

wird von Wallisern eigentlich eben gerade NICHT gesagt. Sondern «Güätun Tag!». Das wissen die meisten Berlinerinnen und Berliner ja aber nicht. Und man will sie als Gast ja nicht überfordern.


 

Der Text wurde leicht überarbeitet. Valentin Abgottspon hat sein Bestes an der Sunday Assembly vom 20. September 2015 in Berlin gegeben.